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Eine Straße nach Nirgendwo

Oktober 2019

Veröffentlicht am
4. Oktober 2019
Lesezeit
7 Minuten Lesedauer

Seit nunmehr fünf Monaten bietet sich jeden Monat dasselbe Bild: Die Märkte schwanken zwischen der Hoffnung auf eine baldige wirtschaftliche Erholung, ausgelöst durch eine Einigung im chinesisch-amerikanischen Handelskonflikt, und der Enttäuschung angesichts einer zunehmenden Unfähigkeit der Zentralbanken, einem allgemeinen Abschwung entgegenzuwirken, den sie nicht mehr unter Kontrolle haben.

Die erneute geldpolitische Lockerung der EZB sowie einige ermutigende Signale im Handelskonflikt sorgten im September dafür, dass die durch umgekehrte Signale Anfang August verursachten Verluste an den Börsen in etwa wettgemacht wurden. Die Zurückhaltung der Fed und ihre zaghaften Kommentare anlässlich der bescheidenen Leitzinssenkung um 0,25 Prozent sowie der inzwischen geringe Einfluss der EZB auf die Märkte haben jedoch einen deutlicheren Aufwärtstrend an den Aktienmärkten verhindert. Der Eurostoxx, der amerikanische S&P 500 und der japanische Nikkei schafften es nicht, dieses dritte Quartal 2019 deutlich über den Ende April erreichten Niveaus zu beenden, die einer allgemeinen Erleichterung zu Jahresanfang zu verdanken gewesen waren. Der Dollar wurde von der nach wie vor zu straffen US-Geldpolitik gestützt und trug damit maßgeblich zur unterdurchschnittlichen Entwicklung der Aktienmärkte in Schwellenländern bei, die deutlich unter den diesjährigen Höchstständen blieben. Die Anleihemärkte verzeichneten nach dem starken Einbruch im August weltweit eine Konsolidierung.

Keine der verschiedenen Aussichten ist für Anleger in dieser Spätphase des Zyklus besonders verheißungsvoll

Diese Marktentwicklungen dürften heute kaum noch überraschen. Keine der verschiedenen Aussichten ist für Anleger in dieser Spätphase des Zyklus besonders verheißungsvoll: Rund um den Globus ist die Geldpolitik bereits extrem locker (weltweit gab es seit Jahresanfang 43 Zinssenkungen!) und nur noch wenig wirkungsvoll. Die Fed scheut sich weiter davor, einen Gang zuzulegen, und eine Erholung der chinesischen Wirtschaft bleibt bislang aus. Die neue makroökonomische Hoffnung richtet sich nun auf fiskalische Impulse zur Rettung des Konjunkturzyklus. Diese Hoffnung kann sich aber nur erfüllen, sofern sich ein politischer Konsens bildet, der sich aber für die Märkte zu langsam entwickelt. Der einzige Lichtblick scheint daher eine Beilegung des chinesisch-amerikanischen Handelskonflikts, die inzwischen für beide Seiten vernünftig wäre und die Hoffnung der Märkte auf einen letzten Kurssprung zum Jahresende nährt.

Diese späte Zyklusphase geht somit in die Verlängerung und sorgt dafür, dass die Aktienindizes sich in relativ breiten Spannen bewegen und die Zinsen auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren. Vor diesem Hintergrund ist eine Positionierung in Aktien und Anleihen von höchster Qualität weiterhin gerechtfertigt. Diese starke Polarisierung birgt zweifellos die Gefahr, dass zyklische Werte plötzlich in die Höhe schießen, um danach genauso schnell wieder einzuknicken, wie etwa Anfang September. Abgesehen von den kurzfristigen Auswirkungen der politischen Turbulenzen dürfte jedoch eine äußerst strikte Titelauswahl unter Berücksichtigung von Transparenz und Bewertung in sämtlichen Anlageklassen weiterhin für eine Outperformance gegenüber den Indizes entscheidend sein.

Wertentwicklung des MSCI World Index seit einem Jahr
Quelle: Carmignac, Bloomberg, 02.10.2019

Zu Beginn des letzten Quartals 2019 ist es an der Zeit, sich über den möglichen Kurs der Märkte im kommenden Jahr Gedanken zu machen. Die beiden vergangenen Jahre standen im Zeichen einer Konjunkturabschwächung und struktureller Deflationstreiber, die durch einschneidende demografische und technologische Trends genährt und durch eine historisch einmalige globale Verschuldung verschärft werden. Diese Abschwächung wurde von den Märkten 2018 zunächst heftig abgestraft, da sie von den Zentralbanken anfangs ignoriert wurde. Später bemühten sich diese um Wiedergutmachung, indem sie ihre Geldpolitik im Gleichschritt weiter lockerten und die Zinsen noch weiter senkten. Auf diese Weise konnten die Aktienmärkte im ersten Quartal 2019 wieder Fuß fassen.

Ungeachtet dieser Atempause an den Märkten darf das Wichtigste nicht übersehen werden: Die Realwirtschaft reagiert inzwischen weniger auf geldpolitische Maßnahmen, und es wird immer offensichtlicher, dass es nicht ausreicht, die aktuelle Abkühlung der Weltwirtschaft einzudämmen, insbesondere, wenn auf breiter Front weiterhin politische Unsicherheit herrscht.

Daher verheißt 2020 im Gegensatz zu 2019 ein Jahr zu werden, in dem es auf der notwendigen Suche nach neuen Wegen an den Märkten möglicherweise zu einer Kehrtwende kommt. Sollte kein wirksames Mittel gegen die immer offensichtlichere Unfähigkeit der Zentralbanken gefunden werden, wird sich voraussichtlich ein Szenario mit einer makroökonomischen Eintrübung herauskristallisieren – mit vorhersehbaren Folgen für risikoreiche Vermögenswerte. Diese Hypothese sollte aber noch nicht als Basisszenario dienen, da sie davon ausgeht, dass die Verantwortlichen in der Politik weiterhin sämtliche Signale verschlafen. US-Präsident Trump, die Fed, China und die deutsche Regierung in Europa haben allesamt kein Interesse daran, dass sich in ihren Ländern eine Rezessionsdynamik verfestigt. Dennoch ist Vorsicht geboten, denn man kann durchaus sehenden Auges in sein Unglück laufen. Es wäre nicht das erste Mal, dass gravierende wirtschaftspolitische Fehler begangen würden.

Ein anderes denkbares und vor allem glücklicheres Szenario besteht darin, dass wirksame fiskalische Hebel endlich genutzt werden.

In Europa besteht genau darin das Ziel der Europäischen Zentralbank, und daran wird zweifellos auch die Ablösung von EZB-Präsident Mario Draghi durch Christine Lagarde nichts ändern. Neben einer deutlicheren Ausgabenerhöhung in Deutschland könnte die Aussicht auf eine Fiskalunion in der Eurozone, die den Weg zu einem mächtigen, wirklich europäischen Haushalt ebnen würde, endlich Gestalt annehmen, nachdem sie so lange durch das Zögern Deutschlands gebremst wurde. Die EZB könnte ihrerseits mit flankierenden Maßnahmen mehr oder weniger direkt die Voraussetzung für einen Aufschwung schaffen, der von Ausgabenerhöhungen getragen wird.

In den USA könnte das Wachstum durch eine konkrete Geste von Donald Trump in Richtung einer Einigung im chinesisch-amerikanischen Handelsstreit deutlich angekurbelt werden. Denn inzwischen ist allen klar, dass die politische Unsicherheit bei diesem Thema die Investitionsdynamik von US-Unternehmen massiv bremst.

Der Zeitplan liegt bei diesem optimistischen Szenario jedoch im Dunkeln. Denn es geht davon aus, dass politische Entscheidungen vorausschauend getroffen und nicht durch weltweit bereits stark geschwächte Volkswirtschaften und unter dem Druck angespannter Finanzmärkte diktiert werden. Zudem wird in dem Szenario angenommen, dass Peking – und sei es aus reiner Vernunft – dem Kandidaten Donald Trump für die nächste Präsidentschaftswahl in den USA die Hand reicht, damit dieser hoch erhobenen Hauptes seine unnachgiebige Haltung im Handelskonflikt mit ihren gravierenden wirtschaftlichen Folgen aufgeben kann.

Selbst wenn der fiskalische Hebel endlich eingesetzt würde, ist nicht davon auszugehen, dass die Märkte ganz reibungslos zur Normalität zurückkehren werden

Selbst wenn der fiskalische Hebel endlich eingesetzt würde, ist nicht davon auszugehen, dass die Märkte ganz reibungslos zur Normalität zurückkehren werden. Nach jahrelanger finanzieller Repression wird die Aussicht auf einen radikalen Wandel der Wirtschaftspolitik (der in den USA unter anderem von Elizabeth Warren, einer Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, befürwortet wird) vielmehr die mitunter extreme Polarisierung der Anleger grundlegend in Frage stellen. Dies würde wahrscheinlich die Volatilität über alle Anlageklassen hinweg, einschließlich Währungen, massiv in die Höhe treiben.
Dabei ist zu beachten, dass die Kursgewinne an den Aktienmärkten Anfang 2019 und die anschließende, seit fünf Monaten anhaltende Konsolidierung dank stetig sinkender Zinsen eine Verschnaufpause nach dem Warnschuss von 2018 darstellen. Sollte sich dieser Trend an den Märkten fortsetzen, erwartet uns 2020 eine Gratwanderung zwischen dem Szenario einer Rezession und dem eines umfassenden fiskalischen Impulses. Folglich ist es legitim, sich zusätzlich zu einer sorgfältigen Titelauswahl bereits jetzt auf eine klarere Richtung an den Märkten vorzubereiten.

Quelle: Carmignac, Bloomberg, 30/09/2019

Anlagestrategie
Aktien

Der erneute Rückgang der Handelsspannungen zwischen China und den USA und die Hoffnung auf einen fiskalischen Impuls bescherten in der ersten Monatshälfte eine deutliche Sektorrotation an den Aktienmärkten, weg von defensiven Werten hin zu zyklischen Sektoren. Zusätzlich verschärft wurde diese Rotation durch die extreme Positionierung der Anleger, die besonders zyklusabhängigen Segmenten seit Langem den Rücken gekehrt haben.

Die Aktienmärkte bieten oft höhere Dividendenrenditen als Staatsanleihen von Kernländern. Daher ist das Risiko einer drastischen Korrektur unverändert gering und rechtfertigt das Festhalten an einem konstruktiven Aktienexposure. Unser Portfolio konzentriert sich jedoch weiterhin auf Werte von „höchster Qualität“, die sich in einem Umfeld strukturell und konjunkturell schwachen Wachstums weiter überragend entwickeln dürften, während die Wirkung der Geldpolitik an ihre Grenzen stößt. Da diese Titel bereits stark aufgewertet haben, gilt unser Hauptaugenmerk unverändert den Bewertungen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns zwar nach soliden Kursgewinnen von einem Großteil unserer Wertpapiere im besonders zukunftsträchtigen Fintech-Segment getrennt, sind aber bei Square eingestiegen. Das Unternehmen aus Silicon Valley ist ein Schlüsselakteur für die Bereitstellung von Zahlungslösungen für unabhängige Einzelhändler wie Bäckereien, Floristen, Cafés usw.
Ferner halten wir an einer kleinen taktischen Position in europäischen Banken fest, um für ein ausgewogenes Portfolio zu sorgen sowie angesichts der von der EZB im September angekündigten Entlastungen des Sektors im Zusammenhang mit der Negativzinspolitik.

In Europa hat EZB-Präsident Mario Draghi die Umsetzung eines Katalogs geldpolitischer Lockerungsmaßnahmen angekündigt. Dieser soll unter anderem Zinssenkungen, die Wiederaufnahme des Anleihenkaufprogramms, eine Entschärfung der Konditionen zielgerichteter langfristiger Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) sowie eine Staffelung der Strafzinsen für Banken enthalten. Der Chef der US-Notenbank Jerome Powell senkte den Leitzins zwar um 0,25 Prozent, weigert sich aber noch, vom Beginn eines Lockerungszyklus zu sprechen. Diese Ankündigungen waren größtenteils erwartet worden. Die Zinsen in den Kernländern sanken im September leicht, nachdem die Bewertungen im August auf Rekordniveaus geklettert waren. Ein Grund für diese Konsolidierung waren auch die Hoffnungen auf eine Beilegung der Handelsspannungen zwischen China und den USA nach den Turbulenzen des Vormonats. In diesem Zusammenhang verringerten wir unsere modifizierte Duration vor allem in Europa, wo die Zinsen extreme Niveaus erreicht hatten.

Gleichwohl halten wir an unserer Positionierung fest, bei der wir von einer Abflachung der Kurven und einer Annäherung der Kreditspreads in Peripherieländern, allen voran Italien und Griechenland, ausgehen. In den USA wächst der Druck auf die Fed, mit einer akkommodierenderen Haltung die US-Wirtschaft in Schwung zu halten, die immer deutlicher schwächelt, und daneben den Spannungen an den Geldmärkten und der nach wie vor eingetrübten Weltwirtschaft entgegenzusteuern. Wir schätzen daher US-Staatsanleihen unverändert optimistisch ein. Angesichts extrem hoher Bewertungen halten wir bei Unternehmensanleihen an unserer sorgfältigen Titelauswahl fest. Wir bleiben in nachrangigen europäischen Finanztiteln positioniert, die von der Einführung einer Staffelung der Negativzinsen durch die EZB profitieren dürften. Im Schwellenländeruniversum halten wir an unserer begrenzten Position in türkischen Hartwährungsanleihen fest, da die verhaltenere Inflation der Zentralbank Handlungsspielraum verschafft.

Die Entwicklung des Renditeabstands zwischen den USA und Europa hätte die Einheitswährung eigentlich stützen müssen. Dennoch legte der Dollar gegenüber dem Euro weiter zu. Die offensichtliche Zuversicht der Währungshüter in den USA, dass die aktuelle Lockerung nur vorübergehend ist, und die positive Einschätzung der Anleger weltweit zu den überraschenden wirtschaftlichen Entwicklungen in den USA boten Unterstützung. Der Dollar wird von zwei gegenläufigen Strömungen beeinflusst. Zum einen kommen ihm die Kapitalrückführung von US-Anlegern und die mangelnde Liquidität an den Geldmärkten zugute, zum anderen wird er durch hohe Bewertungen und eine nach wie vor ungünstige Entwicklung des doppelten US-Defizits (Verschlechterung der Leistungsbilanz und des Haushaltsdefizits) belastet.

Wir beurteilen den US-Zyklus weniger optimistisch als die Mitglieder der US-Notenbank und die Marktteilnehmer und bleiben bei unserer vorsichtigen Haltung gegenüber dem Dollar. Dementsprechend sichern wir einen Teil unseres Exposures im Zusammenhang mit unseren Anlagen in US-Vermögenswerten ab. Ferner denken wir, dass im Vorfeld der Wahlen die Debatten über eine von mehreren demokratischen Kandidaten stark befürwortete Erhöhung der Haushaltsausgaben, finanziert durch neue Schulden, die Angst der Anleger schüren könnte.

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